Sénanque für Flöte solo (1993)

Sénanque ist der Name eines Zisterzienserklosters in der Provence, umgeben von duftenden Lavendelfeldern, durch die sanft der Wind streicht. Die Klosteranlage ist in herrlich klarer Architektur erbaut, die zum Umherschauen einlädt. Am Abend erklingt in der Kapelle Mönchsgesang.

Diese Eindrücke während eines kurzen Sommeraufenthalts in Sénanque finden ihren Niederschlag in diesem Stimmungsbild für Flöte solo. Neben Windgeräuschen und der Imitation der psalmodierenden Mönchsgesänge gibt es zahlreiche archaisch anmutende melodische Gesten, die auf Bauteilen bzw. Bauteilkombinationen gespielt werden: auf dem Fußstück solo und auf der Mittelstück-Fußstückkombination. Diese Spieltechniken nenne ich das Pars-pro-Toto Spiel.

Für die Aufführung von Sénanque gibt es in der EDITION grundsätzliche Hinweise und Zeichenerklärungen zu den hier verwendeten Pars-pro-Toto-Spieltechniken. Eine Videoaufnahme von Sénanque mit mir steht  auf youtube bereit. VIDEO

Musique pour un père mort für Flöte und Violoncello (1994 / 2022)

Dieses Werk besteht aus sechs kurzen Teilen, die in freier Form zusammengefügt sind und bruchlos ineinander übergehen.


Zu Beginn erklingen Koto-hafte pizzicati im Violoncello in meditativer Ruhe, daraus entwickelt sich eine ostinato Begleitung für die erste melodiöse, beschwörende Passage auf dem Fußstück solo („l‘incantation“). Darauf postuliert das Violoncello mit einer gestrichenen Passage den Tonvorrat des nächsten Abschnitts (Des-Es-As-B). Dieser Teil wird nur mit der Mittelstück-Fußstück-Kombination gespielt, wiederum durch Koto-pizzicati begleitet. 


Dieser traumähnliche melodische Abschnitt, in dem längst vergessene Zeiten wachgerufen werden („le temps perdu“) mündet in eine erste Improvisation von Kopfstück solo und Violoncello („pour parler aux arbres“), die an das Säuseln des Windes in den Blättern eines Baumes erinnert und schließlich in eine zweite Improvisation mündet mit whistle sounds auf der vollständigen Flöte und Flageoletts des Violoncellos, die wie Sterne funkeln („pour parler aux étoiles“). 


Zeiten der Trauer und des Nachdenkens sind besonders Stunden der Einsamkeit, wie der Einsamkeit des Waldes oder der Einsamkeit der Nacht. Es folgt der fünfte Abschnitt mit einer ausgedehnten Kadenz für die vollständige Flöte („les questions sans réponses“), die die traumatische Erfahrung der Todesnachricht schildert und verarbeitet. Ausgehend von dem Zentralton  - d‘ - bauen sich immer größere melodische Wendungen auf, die nach einem Tremolo in der rechten Hand zum dramatischen Höhepunkt des Werkes führen. Sprünge von e‘‘‘‘ bis h, Flatterzunge und Mehrklänge stehen für einen Aufschrei der Verzweiflung. 


Schließlich erklingt im sechsten und abschließenden Teil ("l'âme qui s'envole") eine wehmütige Melodie auf der vollständigen Flöte, die wiederum von ostinaten pizzicati des Violoncellos begleitet wird. Es ist ein Abgesang, der letzte Gruß an den verstorbenen, schmerzlich vermissten Vater; orgelpunktartige Haltetöne mit den Tönen A (für Andreas) und H (für Hubert) symbolisieren die verlorene Einheit von Vater und Sohn, die nunmehr eine Erinnerung ist. Das Werk erstirbt in letzten pizzicati und whistle sounds (h‘‘‘ – H wiederum für Hubert), die gleichsam das Entschwinden der geliebten Seele in ferne Sphären eines wie auch immer gearteten Paradieses symbolisieren.

Eine Notenausgabe ist erhältlich. EDITION

Eine Aufnahme steht auf YouTube bereit.

(Uraufführung am 27. 06. 1994 – Genuit-Saal Staatliche Hochschule für Musik Karlsruhe) VIDEO 

Rezension

Gertrud Mazur, geb. Gamroth (1932 - 2023) und Hubert Mazur (1931 - 1990)
Hochzeit 1957

PERENTI für Flöte solo und clapsticks (2004)

Der Perentie (Varanus giganteus) ist der größte in Australien beheimatete Waran oder Goanna. Er gehört zu den ältesten Eidechsenfamilien der Welt und gilt als hochintelligent. Aufgrund seiner Scheu und der Abgeschiedenheit eines Großteils seines Verbreitungsgebiets wird er nur selten gesehen. 

Sein Stellenwert in vielen Kulturen der Aboriginals zeigt sich in seiner Verwendung als Totem, und er ist Teil der Ngiṉṯaka-Träume, den mündlichen Erzählungen der Traumzeit. Bei den Aboriginals der Wüste war er ein beliebtes Nahrungsmittel, und das Fett wurde für medizinische und zeremonielle Zwecke verwendet. 

In der typischen Malerei der Aboriginals, dem Dot-Painting (der Punkt-Malerei), hat der Perentie seinen festen Platz. Unter einer besonders schönen Darstellung fand ich den folgenden Text: 

“Perenti lying in the midday sun, the perenti rests in hot desert country. Clan groups travel pathways across wild spinifex country to waterholes and creeks. At night the song man chants stories of the perenti.” 

(Der Perenti liegt in der Mittagssonne und ruht sich in der heißen Wüstenlandschaft aus. Clan-Gruppen ziehen auf Pfaden durch wildes Spinifex-Land [australische Graslandschaft] zu Wasserlöchern und Bächen. Nachts singt der Liedermann Geschichten über den Perenti.) 

Die farbenreiche künstlerische Darstellung eines PERENTI, dieser Text und mein persönlicher Australienaufenthalt in Sydney in 1999 waren zusammen genommen der inspiratorische Ausgangspunkt dieser Komposition. Besonders markant: Aus der Ferne erklingen clapsticks, typische Instrumente der Aboriginals, mal kommentierend zu den melodischen Gesten der Flöte und den Pars-pro-Toto-Spieltechniken, mal im Duett mit ihnen. In der Schlusspassage auf der Mittelstück-Fußstück-Kombination finden sich Zitate der australischen Nationalhymne. 

Die Uraufführung fand 2004 während eines Dozentenkonzertes im Rahmen eines Pars-pro-Toto Workshops in Bad Wildbad statt. 


Manuskript auf Anfrage, eine Notenausgabe ist in Vorbereitung
Eine Videoaufnahme von mir steht auf YouT ube bereit. VIDEO 


Funny times (2000 / 2023) für zwei Flöten

"Funny times" ist ein Duett für zwei Flöten voller Heiterkeit und ironischem Augenzwinkern. Es besteht aus vier kurzen Einzelsätzen, die bruchlos ineinander übergehen und in denen ausgiebig Pars-pro-Toto Spielweisen verwendet werden. Im dritten Satz "Nocturne" wird das finnische Volkslied "Tuollon" zitiert, das die Klage über eine verschmähte Liebe thematisiert. Dabei passt die Klangfarbe der Mittelstück-Fußstück-Kombination ganz hervorragend zur Stimmung und Aussage des Liedes. An mehreren Stellen im Gesamtwerk kommen auch Improvisationen zum Tragen, entweder mit vorgegebenen Material oder als freie Improvisation für die eine Flöte über einem ostinaten Motiv in der anderen Flöte. Im Schlusssatz wird dieses Prinzip erweitert, so dass abwechselnd das Grundmotiv in der einen oder der anderen Flöte erklingt, während darüber improvisiert wird. Im weiteren Verlauf tauschen die beiden Flöten immer wieder ihre Rollen.

Eine Notenausgabe ist hier erhältlich.  EDITION

Eine Aufnahme auf YouTube steht hier bereit. VIDEO